Energiewende in Deutschland: Hintergründe und aktuelle Zahlen

„Eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung zu realisieren“ – so fasst das BMBF das Ziel der Energiewende in klaren Worten zusammen. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. „Klimaneutralität“ meint dabei, dass sämtliche Bereiche nur so viele Emissionen ausstoßen, wie sie auch wieder abbauen können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Gebäude energetisch saniert, der Verkehrssektor vollständig elektrifiziert, erneuerbare Energiekonzepte ausgebaut und eine Wasserstoffinfrastruktur aufgebaut werden. Eine umfassende Studie von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und der Stiftung Klimaneutralität schlägt vor, dieses Ziel in drei Schritten zu erreichen:

  1. sollen die Emissionen bis 2030 um 65 % gegenüber 1990 gesenkt werden.
  2. Erfolgt ein vollständiger Umstieg auf klimaneutrale Technologien, um die Emissionen um 50 % zu reduzieren.
  3. sollen unvermeidbare Restemissionen durch CO2-Abscheidung und -Speicherung ausgeglichen werden.

2045 scheint noch in weiter Ferne. Aber es gibt viel zu tun – vor allem bis 2030. Der Kohleausstieg bis 2038 ist bereits beschlossen, idealerweise ist er schon bis 2030 geschafft. Außerdem will die Bundesregierung den Anteil von Wind- und Solarstrom bis 2030 verdoppeln. 80 Prozent des Stromverbrauchs sollen dann aus erneuerbaren Energien stammen. Um die im Klimaschutzgesetz verankerten Ziele zu erreichen, muss Deutschland zudem seine Treibhausgasemissionen um mindestens 65 % senken.

Allein beim Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor ist Deutschland bereits auf einem guten Weg. 2022 lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch schon bei einem Rekordwert von 46,2 %.

Diese Herausforderungen stehen dem Klimaziel bislang im Weg

Trotz dieser positiven Entwicklungen steht die Energiewende von verschiedenen Seiten vor Herausforderungen, die dringend gelöst werden müssen. An erster Stelle ist der steigende Bruttostromverbrauch zu nennen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dieser im Jahr 2030 bei 750 TWh liegen wird. Zum Vergleich: 2022 waren es 547 TWh – und ein Drittel des erzeugten Stroms wurde noch aus Kohle gewonnen.

„2023 muss die Regierung die Trendwende schaffen“, betont Simon Müller vom Thinktank Agora Energiewende. Und Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft befürchtet: „Mit dem bisherigen Tempo können die Klimaziele nicht erreicht werden.“

Zum anderen werden Kohle und Öl derzeit wieder verstärkt zur Stromerzeugung eingesetzt. Gründe dafür sind vor allem die steigenden Erdgaspreise bzw. der Importstopp für Erdgas aus Russland. Im Jahr 2022 wurde das CO2-Reduktionsziel für Verkehr, Gebäude, Energie-, Industrie- und Abfallwirtschaft daher um insgesamt 5 Millionen Tonnen verfehlt. Und das trotz sinkendem Energieverbrauch und steigendem Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix.

Doch ist die Zukunft wirklich so schwarz, wie sie derzeit vielerorts gemalt wird? Mit Sicherheit nicht. Die Bundesregierung muss nur den Blick weiten und neue Potenziale nutzen, um die Energiewende so sicher und effizient umzusetzen, wie sie es plant.

Ohne Wärmewende keine Energiewende

Bei der Debatte um Ansätze und Möglichkeiten zur Energiewende findet bislang ein Aspekt wenig Beachtung – der jedoch fürs Erreichen der Klimaziele entscheidend ist: Die Energiewende konzentrierte sich bisher vor allem auf den Stromsektor. Dabei macht der weniger als ein Viertel des Endenergieverbrauchs aus. Größter Endenergieverbraucher in Deutschland ist der Wärme- und Kältesektor; an der Spitze stehen hier Prozesswärme, Raumwärme und Warmwasser.

Deutschland sollte es sich deshalb zum Ziel setzen, vor allem den Wärme- und Kältesektor schnell zu dekarbonisieren. So werden das Erreichen der Klimaziele und der Aufbau einer zuverlässigen grünen Energieinfrastruktur realistischer. Dazu müssen wir nicht nur neue Anlagen bauen, sondern auch bestehende Anlagen und Wärmenetze kontinuierlich und zügig erneuern und ausbauen und dabei verschiedene Wärmequellen im kommunalen Bereich integrieren.

Die Dekarbonisierung des Stromnetzes und die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit spielen natürlich nach wie vor eine wichtige Rolle in der Energiewende, da durch Kohle- und Atomausstieg die entsprechenden Anlagen nicht mehr zur Absicherung des Stromnetzes zur Verfügung stehen. Gefragt sind also hochflexible Anlagen, die die schnellen Schwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen können – insbesondere bei einer sogenannten kalten Dunkelflaute, die mehrere Tage bis zu zwei Wochen andauern kann.

Neben der Umsetzung von Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung durch die direkte Nutzung erneuerbarer Energieträger wie Solarthermie, Geothermie und Abwärme muss die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet werden. Ein erster Schritt besteht darin, klimaneutrale und erneuerbare, aber auch noch fossile Energieträger mit Hilfe der Kraft-Wärme-Kopplung möglichst effizient zu nutzen und dadurch im Vergleich zur ungekoppelten Wärmeerzeugung Primärenergie – und damit bei fossilen Brennstoffen Treibhausgasemissionen – einzusparen.

In einer kleinen Serie haben wir untersucht, wie sich die Kraft-Wärme-Kopplung vom wärmegeführten Grundlastbetrieb hin zu dezentralen Einheiten mit hochflexibler Technik entwickeln kann, um die erneuerbare Strom- und Wärmeerzeugung zu unterstützen und die Versorgungssicherheit in beiden Bereichen zu gewährleisten.

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