Zwei Gemüsebauern aus dem fränkischen Knoblauchsland betreiben ein Riesen-Gewächshaus mit drei Blockheizkraftwerken der Jenbacher – und sind auf ihrer „Insel“ dabei stromseitig komplett unabhängig.

Mitten im Winter Tomaten und Gurken aus regionalem Anbau? Im Mega-Gewächshaus von Stefan Scherzer im fränkischen Feulersdorf bei Kulmbach geht das. Der Gemüsebauer aus dem Knoblauchsland hat zusammen mit seinem Cousin Fritz Boss 2017 ein Mammutprojekt begonnen: Sie bauen auf einem 25 ha großen, ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb mehrere Riesen-Gewächshäuser, bis jetzt sind bereits 90.000 Quadratmeter unter Glas. In den 6,5 Meter hohen Gebäuden wachsen über 40.000 Tomaten- und 35.000 Gurkenpflanzen pro Hektar, geerntet werden täglich 4.000 Kilo. Das Gemüse landet einen Tag nach der Ernte in den Supermarktregalen und wird über den eigenen Online-Shop verkauft. Zusätzlich findet samstags vor Ort ein Werksverkauf der gesamten Produktpalette statt.

Autarke Strom- und Wärmeversorgung

Damit Tomaten und Gurken auch bei frostigen Temperaturen gedeihen können, wird die Gewächshaus-Kolonie beheizt und mit aufwändig erzeugtem, künstlichen Sonnenlicht aus 2.880 Lampen erhellt. Das bedeutet einen immensen Energieaufwand. Und diese Energie kommt nicht vom öffentlichen Stromnetz – daran ist die Anlage nämlich gar nicht angeschlossen. Zwei Blockheizkraftwerke mit zweimal 1,5 MW Leistung liefern die Energie für die Beleuchtung, die meist von Oktober bis April täglich für 16 bis 20 Stunden gebraucht wird. Die BHKWs regeln ihre Leistung je nach Lichtbedarf. Zusätzlich gibt es noch einen Gaskessel mit zehn und Ölkessel mit sechs MW für die Wärme im Sommer. Für den allgemeinen Strombedarf für Wohnhäuser, Verpackungsstation und sonstige Versorgung läuft ein BHKW mit 300 kWel nur für den Eigenbedarf. Dieses regelt je nach Strombedarf auf der Anlage seine Leistung.

Um die Module zu starten, ist ebenfalls keine externe Stromversorgung vorgesehen. Da der Betrieb der Anlage ohne öffentliches Stromnetz aufrechterhalten wird, werden die BHKWs das ganze Jahr (auch im Sommer) über einen Stromspeicher versorgt. Bei einem sogenannten Schwarz-Start müssen die BHKW-Module mit einer 24 V Spannungsversorgung gezündet und die BHKWs hochgefahren werden, um dann die einzelnen Verbraucher mit Strom versorgen zu können. Über diesen können beispielsweise Starterbatterien, Steuerung und Warmhaltung betrieben werden. Der Stromspeicher wird über Photovoltaik und ein kleines Notstromaggregat gespeist. Während des Betriebs wird dieser über die BHKWs geladen.

Hocheffiziente Energieversorgung

Da das Pionier-Projekt von Stefan Scherzer und Fritz Boss auf Energieerzeugung im großen Stil angewiesen ist, achten die beiden Gemüsebauern darauf, dass die Energie möglichst clever genutzt wird. So ermöglichen etwa mehrstufige Abgaswärmetauscher und die Entkopplung von Stromerzeugung und Wärmebedarf eine hocheffiziente Wärmenutzung. Passen Strom- und Wärmebedarf nicht zusammen, wird überschüssige Wärme in einem 3.800 m2 großen Pufferspeicher zwischengespeichert und kann zu einem Zeitpunkt mit höherem Wärmebedarf wieder entnommen werden. So unterstützt der Speicher also die Wärmeversorgung im Gewächshaus und kann sie sogar komplett abdecken, auch wenn die BHKWs nicht laufen. Dies minimiert beispielsweise die Einsatzzeit der Heizkessel und macht die gesamte Anlage noch flexibler und effizienter.

In Zukunft eine Notwendigkeit: SCR-Katalysator

Das Kohlendioxid, das die BHKWs produzieren, wird bei Bedarf in die Gewächshäuser geleitet. Dort wirkt es wie ein Dünger – nachgewiesenermaßen steigert sich nämlich das Pflanzenwachstum um bis zu 15 Prozent, wenn der Kohlenstoffdioxidgehalt der Treibhausluft erhöht ist.

Wird die CO2-Düngung in der Anlage angefordert, werden die Abgase aus den BHKW-Motoren aufwändig gereinigt und über einen CO2-Verteiler in die Gewächshäuser eingedüst.

Diese Reinigung erfolgt über einen, den BHKWs nachgeschalteten SCR-Katalysator. „SCR“ steht dabei für „selective catalytic reduction“, zu deutsch „selektive katalytische Reduktion“. Im PKW- und LKW-Bereich wird dieses Verfahren bereits serienmäßig unter dem Namen „Ad-Blue“ eingesetzt, um die Stickstoffemissionen zu reduzieren. Das Prinzip: Zum Abgasstrom wird eine wässrige Harnstofflösung gegeben. Zersetzt sich dieser, wird Ammoniak frei, dieses reduziert Stickstoffdioxid zu Stickstoff und Wasserdampf.

SCR-Katalysatoren werden in Zukunft tatsächlich auch bei BHKW-Motoren notwendig sein, da auch sie ihre NOx-Werte so weit reduzieren müssen, dass innermotorische Maßnahmen dafür nicht mehr ausreichen werden. Wann das der Fall sein wird, ist momentan noch unklar. Fakt ist aber, dass es auf absehbare Zeit nicht mehr ohne SCR-Katalysatoren gehen wird, um Anlagen bei maximalem elektrischen Wirkungsgrad sicher unter dem noch zu definierendem NOx-Emissionsgrenzwert – der möglicherweise auf unter 250 mg herabgesetzt werden könnte – zu betreiben.

Auch beim Brauchwasser setzen die Franken übrigens auf Nachhaltigkeit: Gegossen wird mit Regenwasser, das in zwei Auffangbecken gespeichert wird. Neuartig ist das Air-Energy-System: Der feuchten Gewächshausluft wird wiederum Wasser und Wärme entzogen, bevor das Kondensat in den Bewässerungskreislauf zurückgeführt und aufbereitet wird.

Eine 20-Millionen-Euro-Investition

Auch, wenn Stefan Scherzer in der kalten Jahreszeit selbst lieber traditionelles Wintergemüse wie Chinakohl oder Wirsing isst, hat er sich mit seiner Gewächshaus-Kolonie der Nachfrage der Kunden gefügt, die inzwischen das ganze Jahr über nach Saison-Gemüse verlangen. Weil Strom in Deutschland deutlich mehr kostet als im Ausland, sieht sich Scherzer allerdings gezwungen, seine Ernte teurer zu verkaufen als etwa die Konkurrenz aus Spanien. Doch dass er die 20 Millionen in sein High-Tech-Gewächshaus trotzdem richtig investiert hat, davon ist Scherzer überzeugt: Die Verbraucher seien bereit, die höheren Preise für die regionalen Produkte zu bezahlen, da das Gemüse einfach besser schmeckt als jenes, das unreif geerntet und auf einem langen Transportweg nach Deutschland gebracht wird, wo es dann nachgereift gekauft werden kann. Und Geschmack hat noch immer überzeugt – vor allem dann, wenn man weiß, dass das Produkt so nachhaltig wie möglich erzeugt wurde.